Sonntag, 3. August 2025

Eugen Drewermann, Sydney Sweeney und die Erlösung Christi

Kleriker: Psychogramm eines Ideals (1989) – dieser gewaltige Schinken mit rund 900 Seiten war einst nahezu jedem modernen katholischen Theologen ein Begriff. Im Priesterseminar Münster ließ sich ein Seminarist der 90er-Jahre damit ablichten.

Drewermann war und ist eine Provokation und Schmeichelei zugleich – ein Alternativ-Theologe für all jene, die sich von der Tradition und der „Romtreue“ der Konservativen entfremdet haben. Man kann ihm kaum absprechen, dass er die Fragen und Sehnsüchte der Zeit intuitiv erfasst. Er besitzt Charisma, kombiniert psychologische Tiefe mit humanistischer Sprache und präsentiert so eine alternative Erlösungserzählung, die sich deutlich von der theologisch-verweltlichten und Leistungsmoral der Liberalkonservativen absetzt.

In einer Kirche, deren Krise mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil massiv zutage trat, wusste Drewermann die Leerstelle geistlicher Autorität mit seiner Deutung zu füllen. Er sprach von „ekklesiogenen Neurosen“ – also kirchlich verursachten Störungen, ein Begriff des Gynäkologen und Psychoanalytikers Eberhard Schätzing. Schätzing behauptete, dass es in bestimmten religiösen Milieus eine triebfeindliche Erziehung gebe, die Frigidität und Impotenz zur Folge habe. Aus wissenschaftlicher Sicht ist das haltlos – ein Konglomerat aus kirchenkritischer Rhetorik und psychoanalytischer Spekulation. Aber für Drewermann – und die post-68er-Generation – war es ein gefundenes Fressen.

Der Tenor war klar: Der Glaube – insbesondere die kirchliche Sexualmoral – macht krank. Befreit euch von den alten Normen, hört auf eure Sehnsüchte, Leiden und Schmerzen – und nehmt Jesus als therapeutischen Heiland an. Drewermann predigte ein „therapeutisches Christentum“, das auch heute noch medial gefeiert und populär ist. Als ich selbst noch in Münster wohnte, war er als Redner bei der Katholischen Studierendengemeinde angekündigt – und schaffte es, das Haus zu füllen. Etwas, das kaum ein Bischof heute noch vermag.

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Man muss ihm eines lassen: Er spricht über jene Themen, bei denen liberale wie konservative Bischöfe längst verstummt sind. Drewermann trifft das Herz. Viele moderne Diözesan- und Weihbischöfe, das zeigen unzählige Gespräche, haben keine Antworten auf die existenziellen Glaubensfragen unserer Zeit.

Bernhard Welte drückte es treffend aus in seinem Werk Auf der Spur des Ewigen:

„Wir leben in der Stunde, in der alle Glaubensentwürfe an ihr Ende gekommen sind und wir das große Ende, das Schweigen und Dunkel bestehen müssen.“

Und genau diese geistlich-fromme Leerstelle – die sich mit keinem Kodex des Kirchenrechts und keinem moraltheologischen Anspruch füllen lässt – hat Drewermann erkannt. Er füllt sie mit Geschichten vom Leben und Leiden des Menschen.

Nahezu alle katholischen Fakultäten sind nach dem Konzil ins Liberale abgedriftet. Die Ungewissheit über Gott wird mit einer Ungewissheit über alles beantwortet – am Ende löst sich alles auf. Auch das Scheitern des „romtreuen“ konservativen Weges, das theologisch liberal ist aber eine konservative Moral verkündet, hat der ZEIT-Journalist Jan Roß exemplarisch an einer Polenreise Johannes Pauls II. im Jahr 1991 beschrieben.

„[Damals herrschte kein] Grundton der Ermutigung und des Vertrauens, sondern lauter … bittere oder verzweifelte Warnungen vor einer libertinen Wegwerfgesellschaft, vor Pille, Prostitution, Pornographie und … Abtreibung. Das Bild von Johannes Paul II. als lebensfremdem Doktrinär und Mann von gestern setzte sich fest, selbst bei alten Weggefährten und Bewunderern.“

Und in dieser Gemengelage tritt Drewermann auf – als therapeutischer Theologe, als Stimme des Verstehens und der Menschlichkeit. Er stellt sich einer innerlich entkernten Kirche gegenüber – Priestern und Bischöfen, die seiner Argumentation nichts Substanzielles mehr entgegenzusetzen haben. Es ist erschütternd zu sehen, wie kaputt die katholische Kirche heute dasteht.

Doch die meisten Menschen fliehen nicht zu Drewermann als „neuem Guru“. Sie suchen Trost direkt in der Welt. Denn wie schreibt der Apostel Paulus: „Wenn Tote nicht auferweckt werden, dann lasst uns essen und trinken; denn morgen sind wir tot.“ (1 Kor 15,32)

Essen und trinken – mit anderen Worten: die Sinnlichkeit und Lust der Welt auskosten. Das ist heute die wahre Alternative zum Christentum. Die Vorbilder und Ikonen unserer Zeit – sie stehen kaum mehr für Glauben oder geistliche Tiefe, sondern für Weltlichkeit: Fußballstars wie Manuel Neuer, Schauspielerinnen wie Sydney Sweeney oder Influencer wie MrBeast.

Und doch verbindet sie alle – Drewermann, Sweeney und Co. – ein zentrales Defizit: Ihre Botschaften bieten keine echte Erlösung.
Weder alternative Theologien noch hedonistischer Lebensstil führen zur Rettung des Menschen.

Drewermann kann schmeicheln, aber im Kern ist seine Botschaft eine Resignation. Er glaubt nicht mehr an die Wirkmacht Gottes, die die Naturgesetze außer Kraft setzen, Wunder wirken und erlösen kann. So leugnet er u.a. wie die liberalen Theologen des 19. Jahrhunderts die Jungfrauengeburt, die leibliche Auferstehung Jesu, seinen Sühnetod und die Erbsünde. An die Stelle einer Erlösung von außen, von Gott, soll ein psychotherapeutisches Programm treten, das einen gleichsam von innen selbst erlösen soll.

Das aber setzt voraus, dass der Mensch keine gefallene Natur hat, keine wirkliche Umkehr braucht und nicht nur durch das Kreuz Christi erlöst werden kann. Drewermann kann Fehlentwicklungen ansprechend benennen, dem menschlichen Narzissmus schmeicheln, aber keine Erlösung anbieten, keine Heiligen wie Paulus, Franz Xaver, Theresa von Lisieux oder Pius X. hervorbringen.

Sein Konzept ist letztlich das einer linken Selbsterlösung – geschickt verpackt in theologischen und therapeutischen Vokabeln. Doch am Ende bleibt der Mensch so, wie die Schrift sagt, tot infolge von Verfehlungen und Sünden. (vgl. Eph 2,1).

Die Erlösung Jesu Christi ist etwas ganz anderes als ein humanistisches Wohlfühlprogramm. Sie ist Kreuz und Leid, die Nächte von Gethsemane und die Passion auf Golgotha. Sie ist Umkehr und radikale Nachfolge, sie ist neues Leben in der Gnade. Joseph Scheeben schreibt:

„Die Gnade Gottes, von der wir schreiben, ist ein Strahl der göttlichen Schönheit, der, vom Himmel herab der Seele eingegossen, sie ganz bis auf den tiefsten Grund mit einem so lieblichen und kräftigen Lichte durchdringt, dass sie Gottes Auge selbst entzückt, von Gott auf das zärtlichste geliebt, als seine Braut und Tochter angenommen, und über alle Schranken der Natur von der Erde zum Himmel erhoben wird, um im Schoße des himmlischen Vaters, an der Seite seines göttlichen Sohnes, an seiner Natur, seinem Leben, seiner Herrlichkeit teilzunehmen und das Reich seiner ewigen Seligkeit als Erbschaft zu empfangen.“

Prediger wie Drewermann verleugnen die Wirklichkeit einer gefallenen Welt – jenes „Tal der Tränen“, das die Kirche im Salve Regina so treffend beschreibt. Nicht das Leid ist unser eigentliches Problem – sondern die Sünde. Und darum gilt, wie Paulus sagt: „müht euch mit Furcht und Zittern um euer Heil!“ (Phil 2,12)

Der alte Baltimore-Katechismus bringt es auf den Punkt:

Frage: Warum hat Gott dich erschaffen?
Antwort: Gott hat mich erschaffen, um ihn zu kennen, ihn zu lieben und ihm in dieser Welt zu dienen und ewig mit ihm glücklich zu sein im Himmel.“

Das Schönste, was der Mensch in diesem Leben tun kann, ist nicht, alle seine Wünsche erfüllt zu bekommen – sondern für den Himmel zu leben.

Die moderne Kirche hat diesen Glauben vielfach verloren. Das wirksamste Gegenmittel gegen Drewermanns weichgespülte Heilslehre und die Verlockung der Welt ist darum: die katholische Tradition. Sie bietet den vollständigen, unverfälschten Glauben – den Glauben, der Heilige hervorbringt, stark und Seelen tröstet und rettet.

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