Sonntag, 1. Juni 2025

Tradition vs. Konservatismus: Ein fundamentaler Unterschied

In einer Zeit, die von Orientierungslosigkeit und tiefgreifenden Umbrüchen geprägt ist, stellt sich die Frage: Was kann unsere Gesellschaft wirklich erneuern und stärken? Ein Blick auf die katholische Tradition und den Konservatismus zeigt, dass nicht der Konservatismus, sondern die Tradition das Fundament für einen nachhaltigen Wiederaufbau bildet.

Was ist Tradition?

Der Begriff Tradition kommt vom lateinischen Wort „traditio“ und bedeutet „Überlieferung“. Das Lexikon für Theologie und Kirche (LThK) definiert Tradition so: „Tradition im allgemeinen ist die … Summe der übernatürlichen Wahrheiten und Einrichtungen, die auf Christus … und auf die Apostel … zurückzuführen sind (t. objectiva).“ Und diese sind im ursprünglichen Sinne zu glauben, wie das Erste Vatikanische Konzil lehrt: „der Sinn der heiligen Dogmen, den unsere heilige Mutter, die Kirche, einmal verkündet hat, [ist] stets beizubehalten, noch darf von diesem Sinn jemals unter dem Vorwand eines tieferen Verständnisses derselben abgewichen werden.“

Die Tradition ist somit ein feststehendes Glaubensgut, das vor 2000 Jahren genauso geglaubt wurde wie heute; einzig in der Entfaltung, nicht aber im Wesen, kann es Unterschiede geben. Neben der Glaubenslehre hat sich auch im Bereich der gesellschaftlichen Ordnung und Moral das Naturrecht herausgebildet, das richtiges Verhalten danach bewertet, inwieweit es mit dem Wesen des Menschen oder einer Sache übereinstimmt. Das, was gemäß der Natur ist, ist das Gute.

Ein Traditionalist lehnt substanzielle Änderungen ab. Daher können auch keine Brüche, Revolutionen oder Evolutionen akzeptiert werden, sondern nur eine organische Entfaltung des von Anfang an Dagewesenen.

Was ist Konservatismus?

Konservatismus ist eine politische und gesellschaftliche Weltanschauung, die vom lateinischen Begriff „conservare“ – „bewahren“ – kommt. Anders als die Tradition geht die konservative Weltanschauung, die heute oft als geschwächte und neue Form, als „neokonservative Weltanschauung“ vorherrscht, nicht von ewig gültigen und unveränderlichen Wesenheiten aus, sondern will den Status quo bewahren oder Veränderungen langsam steuern.

In der Kirche gibt es diese Strömung vor allem seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil als eine Richtung, die offensichtliche Brüche entweder nicht als solche benennt oder sie „Reformen“ nennt und bejaht, aber anders als Liberale eine gewisse Kontinuität bewahren will. So sind Konservative für die Neue Messe und die Ökumene, akzeptieren auch Religionsfreiheit und ein neues Verständnis der Heilsnotwendigkeit der Kirche, wollen aber keine Verhütungsmittel zulassen und schätzen es, wenn der Papst sich altertümlich kleidet. Es ist der Versuch, moderne Inhalte mit traditionellen Erscheinungen zu verbinden, was keiner Position gerecht wird und in erster Linie eine Position zum Machterhalt ist. Löst sich der Glaube im überlieferten Sinne auf, schwindet auch die Moral. Im Grunde ist der Konservative von heute der Liberale von gestern. Er will Gott und der Welt gefallen und gefällt niemandem ganz.

In den Worten von Chesterton:

„Die ganze moderne Welt hat sich in Konservative und Progressive aufgeteilt. Die Aufgabe der Progressiven besteht darin, fortwährend Fehler zu machen. Die Aufgabe der Konservativen besteht darin, zu verhindern, dass diese Fehler korrigiert werden.“

Tradition als Lösung

Wir müssen uns fragen: Gibt es ewig gültige Dogmen und unveränderliche naturrechtliche Vorgaben? Wenn dem so ist, führt kein Weg an der Tradition vorbei.

Moderne Christen können die Heiligen und Missionare nicht mehr verstehen, die Mönche und Nonnen, die ihr Leben für Christus aufgaben. Auch verstehen wir keinen echten Patriotismus oder den Wunsch nach einer kinderreichen Familie. Denn den dafür notwendigen Glauben vermag die moderne Kirche nicht mehr zu geben.

Es geht nicht darum, ob der Papst rote Schuhe hat oder der Bundeskanzler eine Krawatte trägt. Es geht darum, was die Substanz des Glaubens ist und welche Inhalte die Werte unserer Gesellschaft ausmachen.

Es geht um eine tatsächliche Besinnung darauf, was Europa und den Westen ausmachen. Beschäftigt man sich damit, fallen die Brüche unserer Zeit mehr und mehr ins Auge. Ein rein konservatives Bewahren des status quo wird dann unmöglich. Es braucht eine Umkehr zu dem, was unvergänglich ist. Insofern ist die Tradition die größte Revolution unserer Zeit – weil sie durch das Festhalten am Ewige fromme Christen, kinderreiche Familien und zeitlose Priester heranbildet.

1 Kommentar

  1. Eine kleine Ergänzung zu dem Artikel:

    In dem Artikel wird der Konservatismus als eine Weltanschauung beschrieben, welche „nicht von ewig gültigen und unveränderlichen Wesenheit“ ausginge und gewissermaßen als Bewahrer vor bzw. Moderator von Veränderungen fungiert. Ein so verstandener Konservatismus kommt eher einem politischen Habitus denn einer konkreten politischen Weltanschauung gleich, was, folgt man dieser Auffassung, zu der „paradoxen“ Situation führen würde, dass in einer sozialistischen Gesellschaft der Sozialist – ein „Linker“ – als Konservativer – und damit ein „Rechter“ – zu betrachten ist.

    Es wäre nun freilich Unsinn, zu behaupten, eine solche Auffassung von Konservatismus – als politischen Habitus – sei gänzlich verkehrt. Allerdings soll – unter Zuhilfenahme eines Zitats Albrecht Erich Günthers – eine andere Definition des Konservatismus vorgeschlagen werden, die das Wesen des Konservatismus als Weltanschauung – zumindest ansatzweise – zeigt und wie folgt lautet: „Konservativ sein, ist nicht ein Hängen an dem, was gestern war, sondern ein Leben aus dem, was ewig gilt.“. Ein Konservatismus also, der sich zum „Willen zum Bewahren“ bekennt, aber auch danach fragt, was es letztlich zu bewahren gilt. Eine Frage, die gar nicht so einfach zu beantworten ist und gewissermaßen das „ewige“ Problem des Konservatismus darstellt.

    Im Ergebnis bleibt aber die Kritik des Artikels berechtigt, wenn sie insbesondere auf einen schwachen Konservatismus bezogen wird, dem es an grundlegenden Überzeugungen und entsprechendem Kampfesmut mangelt. Vielleicht auch so ein ewiges Problem…

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