Mittwoch, 27. August 2025

Das Ende eines Mentors: Warum sich viele von Jordan Peterson abwenden

Es gibt nur wenige Persönlichkeiten, die das Denken junger Männer in den letzten Jahren so stark geprägt haben wie Jordan Peterson. Der kanadische Psychologe und Bestsellerautor war für viele ein Held, eine Art „Gandalf“, wie es in einigen YouTube-Videos heißt, fast schon eine Vaterfigur, die Orientierung bot in einer Zeit, die vielen sinnlos und chaotisch erschien. Seine Vorlesungen, Bücher und Interviews versprachen eine „spirituelle Antwort auf das Leiden in der modernen Welt“. Wer ihm zuhörte, hörte von Verantwortung, von Disziplin, von der Notwendigkeit, das eigene Zimmer aufzuräumen, bevor man die Welt verändern will. Für eine ganze Generation entwurzelter Männer war er der, der ihnen zeigte, wie man aufrecht durch das Leben geht.

Doch der Peterson der letzten Jahre ist kaum noch wiederzuerkennen. Viele seiner einst glühenden Anhänger verspüren heute nicht mehr Bewunderung, sondern Abneigung. Der Bruch begann schon mit seiner engeren Bindung an das neokonservative Medienhaus The Daily Wire. Wo er früher als unabhängiger Denker wahrgenommen wurde, wirkte er nun wie ein weiterer Propagandist im neokonservativen Lager. Das Ideal des freien Philosophen, der sich über Politik erhebt, löste sich auf, und an seine Stelle trat die Inszenierung eines Medienmannes, der Teil eines Apparats wurde, den er früher selbst kritisiert hatte.

Auch seine persönliche Krise hinterließ Spuren im Bild des Vorbilds. Als 2019 bekannt wurde, dass Peterson eine schwere Abhängigkeit von Benzodiazepinen entwickelt hatte, war das für viele ein Schock. Jeder Mensch kann krank werden, jeder kann straucheln – das allein wäre kein Vorwurf. Doch gerade er, der jahrelang Disziplin, Selbstkontrolle und den heroischen Umgang mit Leiden gepredigt hatte, wirkte plötzlich wie ein Gegenbeispiel seiner eigenen Lehre. Besonders bitter war, dass er selbst Psychopharmakologie gelehrt hatte und dennoch in eine Abhängigkeit geriet, die sein Leben beinahe zerstörte. Seine Rückkehr nach dieser Phase war nicht die triumphale Heimkehr eines geläuterten Mentors, sondern das Bild eines müden Mannes, der mehr über seine Qualen klagte als über die Verantwortung sprach, die er so lange eingefordert hatte.

Hinzu kam eine zunehmende Eitelkeit, die viele befremdete. Seine Haartransplantation, sein Hang zu modischen, fast theatralischen Outfits, seine dramatischen Erzählungen über persönliche Leiden, die er bisweilen biblisch überhöhte, standen im starken Kontrast zu seinen Mahnungen, das eigene Leiden anzunehmen, sich nicht in Oberflächlichkeiten zu verlieren und das Vergängliche zu akzeptieren. Für viele wirkte das nicht nur widersprüchlich, sondern wie eine Entlarvung: Der Mann, der Stärke und Demut predigte, war selbst eitel und unsicher.

Auch religiös enttäuschte er viele. Obwohl er sich jahrelang auf biblische Geschichten stützte, diese als Quelle seiner Philosophie und seiner Deutungen präsentierte, verweigerte er ein klares Bekenntnis zum Christentum. Stattdessen verlor er sich in endlosen Ausweichformeln, sprach davon, „so zu handeln, als ob Gott existiere“, ohne je Farbe zu bekennen. Für gläubige Anhänger, die ihn gerade wegen seiner spirituellen Dimension verehrten, wirkte das wie Verrat. Der Philosoph, der von Wahrheit sprach, mied die Wahrheit in ihrer existenziellsten Form.

Die Pandemiezeit markierte schließlich einen Wendepunkt. Während die Welt sich in autoritären Maßnahmen und politischem Chaos verfing – genau jenem Szenario, vor dem Peterson jahrelang gewarnt hatte –, war er abwesend. Statt klarer Kritik an Machtmissbrauch gab es lange Klagen über persönliche Leiden und schließlich einen neuen Vertrag mit The Daily Wire. Für viele wirkte das wie ein endgültiger Ausverkauf.

Besonders bitter war für viele auch sein Umgang mit Kritik. Früher hatte er unermüdlich die Bedeutung des offenen Dialogs betont, hatte verkündet, dass kein Thema tabu sein dürfe. Doch als seine eigenen Anhänger ihn kritisierten, diffamierte er sie als „psychopathische Troll-Dämonen“. Damit stellte er sich nicht der Auseinandersetzung, sondern wies die Menschen ab, die ihn einst zu dem gemacht hatten, was er war. Der Vorwurf, den viele ehemalige Anhänger ihm heute machen, lässt sich in einem Satz zusammenfassen: „Du hast uns den Rücken gekehrt – nicht wir dir.“

Aus dem Philosophen, der einst junge Männer zur Selbstverantwortung anhielt, ist ein neokonservativer Medienakteur geworden, der mehr auf Status, Karriere und Lob bedacht scheint als auf Wahrheit. Sein früheres Charisma, seine Klarheit und sein Mut sind verblasst. Was bleibt, ist das Vermächtnis seiner frühen Lehren, die für viele noch immer wertvoll sind, und das Beispiel eines Mannes, der augenscheinlich für Ruhm und Geld seine früheren Ideale aufgegeben hat.

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